HUBER.HUBER

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huber.huber and the authors

Werkschau Kanton Zürich 2023

Museum Haus Konstruktiv, Selnaustrasse 25, 8001 Zürich

28. September – 8. Oktober 2023

Um Spuren zu folgen, muss man alle Sinne zu Hilfe nehmen. Ich lade Sie dazu ein, die diesjährige Werkschau des Kantons Zürich mit all Ihren Sinnen zu erleben. Folgen Sie den Fährten, die die ausstellenden Künstler:innen in ihren Werken gelegt haben. Die Themen, die sie darin erforschen, die Materialien und Werkzeuge, die sie dafür verwenden, führen zu einer Vielfalt von Ausdrucksformen. Jedes Werk hinterlässt auf eine einzigartige Weise Spuren in der Ausstellung und möglicherweise auch in unserer Wahrnehmung von künstlerischer Arbeit. Das ist das Wunderbare an der Kunst: Gibt man sich ihr hin, lässt sie einen nur selten unberührt. Ich hoffe sehr, dass dieses beeindruckende Spektrum künstlerischen Schaffens im Kanton Zu?rich auch in Ihnen einiges zu bewegen vermag und einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Dem Thema Spuren werden Sie auch in der visuellen Gestaltung zur diesjährigen Werkschau begegnen – Martin Woodtli hat sich dafür auf ein Spiel mit Texturen, Formen und Farben eingelassen. Und auch die Nachwuchsautor:innen der Schweizer Kunstzeitschrift Kunstbulletin begaben sich für uns auf eine Spurensuche. Sie besuchten die 24 Künstler:innen der diesjährigen Werkschau in ihren Ateliers und führten mit ihnen Gespräche über ihre Arbeit. Ihre Eindrücke und die Geschichten hinter den hier ausgestellten Werken verarbeiteten die Autor:innen zu kurzen Reportagen, die in dieser Zeitung abgedruckt sind. Das genaue Hinhören und Hinschauen ist nicht nur Teil der Spurensuche in der Kunst, sondern auch ein Fundament unserer Förderpraxis. Wir legen Wert darauf, auf Veränderungen im Kulturschaffen rasch zu reagieren und versuchen, auf sich verändernde Bedürfnisse einzugehen. So hat uns nicht zuletzt der direkte Austausch mit den Kunstschaffenden dazu bewogen, das Fördersystem hinter der Vergabe der Werkbeiträge unter die Lupe zu nehmen. Da wir uns den vorherrschenden prekären Arbeits- und Lebenssituationen von Kunstschaffenden bewusst sind, messen wir in unserer Förderpraxis dem Thema einer fairen Honorierung eine grosse Bedeutung bei. Damit wir allen Künstler:innen, die an der Werkschau teilnehmen, angemessene Arbeitsbedingungen zusichern können, haben wir uns für eine modifizierte Vergabepraxis entschieden: Neu erhalten diejenigen, die keinen der 12 Werkbeiträge gewinnen, einen Förderbeitrag . Im Gegenzug wird die Anzahl der ausgestellten und für einen Werkbeitrag nominierten Künstler:innen von bisher 30 auf neu 24 Positionen reduziert. Die Jury hat diese aufgrund ihrer ausserordentlichen Entwicklung in den letzten drei Jahren aus 224 Bewerber:innen ausgewählt. Diese Leistung wird durch die Ausstellungsmöglichkeit im Haus Konstruktiv und durch einen substanziellen finanziellen Beitrag an ihr zukünftiges Schaffen anerkannt.
(...)
Abschliessend bedanke ich mich bei den ausstellenden Künstler:innen, dass sie uns an ihrer kreativen Arbeit teilhaben lassen, ebenso bedanke ich mich bei der diesjährigen Jury, bei den Autor:innen und dem Kunstbulletin für die anregende und bereichernde Zusammenarbeit. Ein grosses Dankeschön geht an das Museum Haus Konstruktiv für dessen Gastfreundschaft.

MADELEINE HERZOG Leiterin Fachstelle Kultur Kanton Zürich

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HUBER.HUBER

(*1975, Münsterlingen) leben in Zürich

EISBÄR’N MÜSSEN NIE WEINEN / 2022 - 2023

Glas, Wasser, Acrylglas, Schläuche, Pumpe, Timer, Holz, 220 x 40 x 40 cm (Eiszapfen aus Glas ca. 80 cm)

Das Tüfteln und Ausprobieren ist eine ihrer Arbeitsmethoden, die Neugierde und Faszination ihr Antrieb. Wenn die beiden Zwillingsbrüder Markus und Reto Huber über ihre Arbeit sprechen, sprühen ihre Augen vor Begeisterung über all die Entdeckungen, die sie dabei machen. Oft tauchen Dinge oder Phänomene in ihrer Arbeit auf, die sie schon seit Kindheit faszinieren: etwa Eiszapfen, Seifenblasen, Meteoriten, Findlinge oder Regenbogen. Dann lesen sie sich dazu Wissen an, lernen komplexe Zusammenhänge kennen und entdecken Aspekte, die ihnen in ihrem unmittelbaren Zugang als Kind noch verborgen blieben. All diese Ebenen fliessen dann in das Werk hinein. Zum Zeitpunkt des Atelierbesuchs läuft in ihrem Atelier ein Experiment fu?r eine Arbeit, in der sie Seifenblasen in einem Glaskasten emporsteigen lassen. Herausfinden wollen sie beispielsweise, ob Rückstände an der Glaswand entstehen, wenn die Seifenblasen zusammenfallen. Und wie sich diese begrenzen lassen – im letzten Versuch haben die so leicht anmutenden, zierlichen Seifenblasen durch ihren Druck den Deckel des Glaskastens weggehoben. In ihren Arbeiten liege die grösste Herausforderung oft darin, an das richtige Material und die richtige Technik zu gelangen, erzählen die beiden Künstler. Für solche Projekte arbeiten sie deshalb oft mit externen Fachpersonen zusammen, die allerdings oft nicht ganz einfach zu finden sind. Bisher haben sie aber immer begeisterungsfähige Menschen finden können, die sich auf eine Zusammenarbeit mit ihnen einlassen. So liessen sie bereits Findlinge in einer Lackiererei lackieren, kauften Meteoriten bei einem Geologen oder arbeiten mit einem Parfümeur zusammen. Eine wichtige Ansprechperson ist zudem immer auch ihr Vater: Als pensionierter Maschinenbauingenieur steht er ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.

Für die Werkschau zeigen huber.huber die Arbeit Eisbär’n müssen nie weinen, die aus einem etwa 180 Zentimeter hohen Plexiglaskasten besteht, in dem ein mächtiger Eiszapfen hängt. Von diesem tropft kontinuierlich Wasser nach unten, das dort gesammelt und mit einer Wasserpumpenvorrichtung wieder nach oben befördert wird. Die Arbeit fasziniert unmittelbar und spricht gleichzeitig Themen wie Klimaerwärmung, Wasserkreislauf, Energie und Umweltpolitik an. Der Titel ist eine Referenz auf das bekannte Lied der Band Grauzone, die bereits in den 1980er-Jahren die Folgen von Industrialisierung und Globalisierung in ihrem Song verarbeitet hat. Der Eiszapfen, der scheinbar schmilzt, jedoch nie kleiner wird, besteht nicht aus Eis, sondern aus Glas. Eine kleine Glasbläserei hat den über 10 Kilogramm schweren Zapfen für sie angefertigt. Natur und Menschgemachtes werden so in einen engen Bezug gesetzt. Was die beiden Brüder interessiert, ist, wie der Mensch als Teil seiner Umwelt funktioniert, wie er sie wissenschaftlich erschliesst, sie nutzt, mit ihr umgeht und sich – immer wieder aufs Neue – von ihr begeistern lässt und trotzdem drauf und dran ist, sie unwiderruflich zu zerstören.

MARTINA VENANZONI ist freischaffende Kunsthistorikerin und Kuratorin. Seit 2022 ist sie zudem tätig als kuratorische Leiterin von FATart (Femme Artist Table).

huber.huber wurden mit einem Werkbeitrag ausgezeichnet.

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