HUBER.HUBER
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huber.huber and the authors
SCHWESTERN 2018
Permanente Skulptur / Installation
Kunst und Bau: Grosse reformierte Kirche Zürich-Altstetten, Pfarrhausstrasse 21, 8048 Zürich
Neonschrift, Stahl, Transformer
200 cm h x 210 cm l x 50 cm b
Die von huber.huber geschaffene Skulptur besteht aus einer schlichten Neonschrift mit dem Wort "SCHWESTERN“. Erst als Ergänzung zur Spruchtafel im Chor von Ernst Keller und Karl Fischer (1941) versteht man die Intervention. Es ist eine zeitgemässe Ergänzung des Verses:
EINER IST EUER MEISTER
CHRISTUS
IHR ALLE SEID BRÜDER
Das Wort "Brüder“ wird mit "Schwestern“ ergänzt oder überschrieben. Das Überschreiben nimmt den Gedanken der Korrektur und Anpassung an die heutige Zeit auf, ist aber auch ein leiser Protest.
EINWEIHUNG: Am Internationalen Frauen Tag, 8. März 2018
ANSPRACHE Ulrike Müller Pfarrerin
SCHWESTERN
Endlich sind sie hier, die Schwestern!
In moderner, klarer Schrift.
Eine überraschende Idee: in Neonlicht.
So wirken sie leicht und setzen zugleich einen klaren Akzent.
Der 1. kirchliche Auftrag an huber.huber!
Roland Ammann, der Leuchtröhren-Glasbläser hat die Buchstaben kunstvoll einzeln gefertigt.
Ein sehr gelungenes Werk!
Ich freue mich ungemein, dass es nun hier ist!!
Und auch darüber, dass ein Werk von Euch nun hier ist!
77 Jahre - seit 1941 - führten die Brüder hier ein einsames Dasein.
Man kann nun sagen:
Die Schwestern waren ja auch hier - die männliche Form ist ja oft inklusiv gemeint und schliesst die weibliche Seite ein.
Wirklich?
Als die Gemeinde Wädenswil vor vielen Jahren einführte,
von jetzt an gelte in der Amtssprache die weibliche Form inklusiv
und beinhalte auch die Männer;
ging ein Aufschrei durch den Blätterwald und die Gemeinde.
Die Regelung wurde wieder rückgängig gemacht.
Denn die Männer fühlten sich ausgeschlossen.
Was passiert, wenn hier nur die „Brüder“ stehen?
Dann sind die Frauen unsichtbar.
Sie verschwinden hinter den Brüdern.
Natürlich steht dieser Satz so an dieser Stelle des Paulus-Briefes in der Bibel.
Es ist die Sprache einer patriarchal geprägten Welt, von patriarchal geprägten Menschen.
Es ist das Weltbild von damals.
Die Frage ist: warum sollten wir dieses Weltbild übernehmen?
Wenn wir doch wissen, dass damals auch Frauen angesprochen waren?!
Die Gemeinden bestanden zu einem wesentlichen Teil aus Frauen.
An altorientalische Weltbilder müssen wir nicht glauben!
Weltbilder ändern sich.
„Wer die Bibel wörtlich übersetzt, ist ein Lügner“ (Rabbi Jehuda)
Und nun haben uns huber.huber mit einer paradiesischen Karte
zur Einweihung der „Schwestern“ eingeladen.
Palmen sind zu sehen vor blauem Himmel.
Das sind nicht einfach Ferien in Costa Rica, die Ihr damit verbindet....
Eure Assoziationen sind...habt Ihr gesagt...Paradies und Baum der Erkenntnis.
Ihr zitiert quasi ein biblisches Bild mit einer Geschichte.
Und stellt diese Schrift hinein.
Was sind wohl Eure Assoziation zu „Paradies“ - heute am 8. März?
•Es wäre paradiesisch, wenn Frauen angemessen zum Zug kämen?
•Dass die Schwestern in die Kirche kommen ist mal ein kleiner Schritt.
Aber es braucht noch viele Schritte bis zu gleichen Löhnen für gleiche Arbeit;
bis zu einem angemessenen Anteil von Frauen in den Chefetagen von Wirtschaft, Politik und Kirche;
bis zu flexiblen Arbeitszeiten für Frau und Mann.
Am „Internationalen Tag der Frau“ wird einem das sehr bewusst.
Was ist denn ein Paradies - biblisch?
Paradies heisst eigentlich wörtlich Baumgarten. In der Bibel wird oft vom Garten Eden gesprochen.
Der Garten Eden, das Paradies am Anfang der Bibel - gleich in einem der ersten Kapitel:
•Da sind als paradiesische Zustände vor Augen gestellt, wenn Frau und Mann zusammen diesen „Garten“ bebauen und pflegen; also in der Welt zusammen wirken.
•Wenn sie es gleichberechtigt tun, ohne Über- und Unterordnung.
•Es ist eine Welt nicht ohne Arbeit (wie das Schlaraffenland), aber einer Arbeit ohne Ausbeutung; auch ohne Ausbeutung der Tierwelt.
•Eine Welt, in der man/frau die Früchte der Arbeit geniessen können und alle genug haben.
Die biblische Geschichte vom Anfang setzt eine Welt ins Bild
wie sie sein könnte....
Und: wie sie gewesen sein könnte...
Das Verschwinden der Frau, die Unterordnung kommen erst nachher...
Nach dem Paradies.
Das ist nicht eine gottgewollte Ordnung;
sondern ein Rückfall.
Ein Abfall.
Oder wie Kirchenväter in ihrer Sprache sagen: Sünde.
Der Garten Eden, die Paradies-Geschichte ist eine Erinnerung daran,
wie es gewesen sein könnte - ganz am Anfang.
Und zugleich eine Hoffnung...wie es sein könnte!
Und so nehmen sie (die Erinnerung und die Hoffnung) das, wie es ist,
wie es geworden ist,
in die Zange.
Sie bestreiten, dass es so sein muss,
und so bleiben muss, wie es ist.
Die Vorstellung vom Paradies in Bibel ist immer auch
eine Kritik an bestehenden Zuständen.
Sie stellt uns andere Bilder und Träume vor Augen,
und erinnert an das, was - um Gottes willen - möglich ist!
Hält es uns leuchtend vor Augen!
Damit das, wie es ist, nicht die einzige Wirklichkeit bleibt.
Eure Schwestern eine Erinnerung und eine Hoffnung;
eine Korrektur, ein leiser Protest!
Es ist so wichtig und schön, dass sie Einzug gehalten haben in unsere Kirche hier!
Hoffentlich nicht nur als Schrift!
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ANSPRACHE Franz Grossen Präsident Kirchenpflege
Unter Brüdern
Vernissage der Leuchtschrift „Schwestern“ von Huber.Huber
Warum nun diese „Schwestern“ in unserer Kirche? Was soll das. Muss nun Me too in der Kirche auch präsent sein? Erlauben sie mir dazu eine kurze Bemerkung: Die Idee für die „Schwestern“ wurde vor ca. anderthalb Jahren geboren, und steht wenn auch durchaus sinngemäss, nicht im Zusammenhang mit der gegenwertig weltweiten Aktion. Werfen wir einen Blick auf die Entwicklung des Frauenrechts in unserem Land.
Am 1. Februar 1959 scheiterte die erste Volksabstimmung über das eidgenössische Frauenstimmrecht mit einer Stimmbeteiligung von 67 Prozent ganz klar am Volks-und Ständemehr. In Innerrhoden gar bei 95%. Nur in drei französischsprachigen Kantonen ergeben sich Ja-Mehrheiten. Die Westschweizer waren halt schon immer anders…
Erst 1971 durften sich auch die Frauen aktiv am politischen Geschehen auf Bundesebene beteiligen. Im Laufe der Zeit dann auch auf kantonaler und Gemeindeebene.
In der aufgeschlossenen Stadt Zürich war natürlich alles anders, ich zitiere:
Am 6. Dezember 1955 wurde in Zürich kurz nach zwei Uhr nachts auf offener Straße eine Frau verhaftet, die behauptete, aus Basel zu kommen und Anwältin zu sein. Da sie keinen Ausweis bei sich trug und sich weigerte, das Ziel ihres nächtlichen Ausflugs zu nennen, nahmen die Ordnungshüter sie mit aufs Revier. Dort wurde sie verhört, man durchsuchte ihre Handtasche und ließ sie erst wieder frei, nachdem ein Anruf bei der Stadtpolizei Basel ihre Angaben bestätigt hatte.
Im polizeilichen Rechtfertigungsbericht sollte es später heißen, die Frau habe sich durch Benehmen und Aufmachung verdächtig gemacht und man habe vermutet, sie könnte aus einer Heilanstalt entwichen sein. Die Frau, die sich da zu ungewohnter Stunde in grüner Cordhose, einem Ozelotmantel und ohne Hut durch Zürichs Straßen bewegt hatte, war die Frauenrechtlerin Iris von Roten.
Ein zufällig gehörtes Gespräch zwischen 2 Herren im Pensionsalter am Früchtestand im Migros zum Thema Frauenfussball. Die Frauennati hat an Vorabend gegen Österreich 1:0 verloren:
Originalton
Das hät ja müesse so cho, e Trainerin und erscht na eine Dütschi, die von Tecklenburg, und überhaupt, Fraue händ im Fussball nüt z‘suche, die sölled Kind übercho und de Haushalt i d‘Ornig bringe…..
Ein Zeitungsartikel aus Italien
Ich zitiere aus dem Corriere della sera:
Am 12. Juli 1992 erstattete die damals 18 jährige Rosa aus dem süditalienischen Ort Muro Lucano bei Potenza, Anzeige gegen ihren Fahrlehrer.
Nach ihren Aussagen hatte sie der damals 45jährige verheiratete Mann, Vater von vier Kindern, in einen Kastanienwald fahren lassen, wo er sie auf den Boden geworfen und vergewaltigt habe.
Noch am gleichen Tag erstatteten ihre Eltern Anzeige. Der Fahrlehrer stritt den Vorwurf ab und behauptete, seine Schülerin sei von sich aus zum Liebesakt bereit gewesen.
In erster Instanz wurde der Mann 1996 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Im Berufungsverfahren hingegen, dessen Urteil am 19. März 1998 erging, wurde er zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Diese Entscheidung hob der Kassationshof nach der Veröffentlichung des Urteils auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung in letzter Instanz an das Gericht in Neapel. Die Richter zweifelten an den Aussagen der jungen Frau.
Die hat doch mitgemacht!
Vergewaltigt? Unmöglich, da das Opfer Jeans getragen hat. Ein italienisches Urteil
Im Namen des Volkes: Frauen, die Jeans tragen, können nicht vergewaltigt werden. Da haben Sexualverbrecher keine Chance. Da wirken die Hosen von Levi's, von Diesel oder Lee wie Keuschheitsgürtel. Lassen sich nicht vom Leibe ziehen. Es sei denn - das Opfer hilft etwas nach. Und mit der Begründung, diese Möglichkeit sei im vorliegenden Fall nicht völlig von der Hand zu weisen, wird das vorausgegangene Urteil aufgehoben und eine Neuverhandlung angeordnet. Der in der zweiten Instanz verurteilte Täter wird wieder zu einem mutmaßlichen. Und das Opfer - ebenfalls nur noch ein mutmaßliches.
Ein zum Himmel schreiendes Urteil, befand die italienische Öffentlichkeit. Vor allem Frauen zeigten sich empört darüber, was fünf Richter - allesamt betagte Männer - der dritten Strafkammer am obersten Gerichtshof in Rom verkündet hatten. Jeans, urteilte das Gericht, zieht eine Frau nur freiwillig aus.
Woher kommt den diese spöttische, verachtende und zynische Haltung gegenüber den Frauen? 2 Zitate aus der christlichen Geschichte
Thomas von Aquin, Kirchenlehrer, 1225-1275 und Patron der katholischen Hochschulen:
Die Frau ist ein Missgriff der Natur … mit ihrem Feuchtigkeits-Überschuss und ihrer Untertemperatur körperlich und geistig minderwertiger … eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann … die volle Verwirklichung der menschlichen Art ist nur der Mann.“
Machen wir einen Sprung ins 16. Jahrhundert. Gegenüber den Frauen pochte der Reformator Martin Luther auf die Herrschaftsrechte des Mannes, einschliesslich Prügelstrafe. Sein Prinzip:
Die Frau gehört ins Haus, ihre höchste Ehre ist die Mutterschaft. Möglichst viele Kinder soll sie gebären, damit umso mehr Menschen zum Evangelium geführt werden. Ob sie sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nicht, lass sie nur tot tragen, sie sind darum da.
Man muss eine These nur oft genug wiederholen, dann wird sie geglaubt…
Denke ich falsch, wenn mir der leise Verdacht aufkommt, dass die christliche Religion seit gut 2000 Jahren einen nicht zu übersehenden Anteil für die Unterdrückung und Missachtung der Frau, wie auch das ambivalente Verhalten der Männer gegenüber den Frauen hat. Aus diesem Grund finde ich den Ort für unsere Leuchtschrift sehr angebracht. Sie soll erinnern, dass auch in unserer modernen Gesellschaft die Frau längst nicht immer den Status hat der ihr gebührt.
Ein Ausschnitt aus einem Beitrag im Tagesanzeiger vom 1. März 2018
Wir Heimchen am Herd von Franziska Kohler
Ich zitiere
Frauen verdienen im Schnitt immer noch 600 Franken weniger als Männer. Der Ständerat stritt gestern über die Frage, warum das so sei.
„Die Unterschiede seien halt Gott gegeben“, fand SVP Ständerat Hannes Germann…
Ist das einfach Dummschwätzerei oder die Ausrede nichts zu tun?